Ob eine Branche, ihr Unternehmen, die Unternehmenskultur oder gar ihre eigene Karriere, ihren Führungsstil oder einfach ihre Sicht- und Arbeitsweise. Dabei geht es nicht nur um Digitalisierung, sondern auch um Persönlichkeits- und kulturellen Aspekte – beides wichtige Bestandteile, die eine erfolgreiche Transformation ausmachen.
Den Start macht Katja Kraus, Gründungsgesellschafterin der Agentur Jung von Matt/Sports, die sie zusammen mit dem ehemaligen Fußballprofi Christoph Metzelder und Sportmarketing-Experten Raphael Brinkert gründete. Zudem ist sie Aufsichtsratsmitglied bei Adidas. Als Cribb sie in ihrer Agentur besucht hat, berichtet sie im Gespräch, wie sie für Hertha BSC neue Hauptstädter in Berlin ins Stadion lockt, warum das Thema Führung sie heute immer wieder neu herausfordert und der Wandel eine wichtige Konstante in ihrem Leben ist. Das nächste Buch zu schreiben oder ein neues Unternehmen zu gründen – beides steht im Raum.
Frau Kraus, Sie sind vor drei Jahren mit der Neugründung von JvM Sports angetreten, um zusammen mit Ihren Kollegen Raphael Brinkert und Christoph Metzelder das Sportmarketing neu zu definieren – Ist Ihnen das gelungen?
Unser Anspruch war es, den Sportkommunikationsmarkt um kreative Qualität und um eine inhaltliche Tiefe zu bereichern, die es bis dahin nicht gab. Ich denke, das ist uns gelungen. Wir sind jetzt im dritten Jahr und schnell gewachsen. In der Anzahl der Mitarbeiter und Kunden, aber auch in unseren eigenen Möglichkeiten. Wir haben mit großer Begeisterung einen neuen Markt erschlossen und dabei vieles gelernt.
Meine Erfahrung im Sportmanagement (Vorstand für Marketing und Kommunikation des Fußballbundesligisten HSV, Anm. d. Redaktion) zuvor war, dass das Sportsponsoring zumeist traditionell und wenig risikobereit ist. Ich war oft überrascht, dass unsere Kunden den Verein nicht auf eine ganz andere Weise gefordert haben, gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln, um ihre Rechte bestmöglich zu aktivieren.
Das heißt?
Die Sponsoring-Pakete sind meist klar konfiguriert. Oftmals fehlen dann die personellen Ressourcen, sich weitergehende Gedanken zu machen. Dann gibt es „Umsetzer“, die dafür sorgen, dass die eingekauften Rechte entsprechend sichtbar werden. Darüber hinaus kreativ zu denken, findet selten statt. An dieser Stelle Lösungen anzubieten und neue Formate zu entwickeln war ein Anspruch, als wir mit JVM/sports gestartet sind: Wir wollen neue Formen kreieren, mithelfen, die vorhandenen Rechte besser zu nutzen und sie bewusster in die Gesamtkommunikationsstrategie der Unternehmen einzubinden.
Wir betreuen Athleten, Verbände, Vereine und Unternehmen und beinah all unsere Aktivitäten basieren auf einer markenpsychologisch Evaluierung. Dafür haben wir eine exzellente Strategieabteilung, die die Markenidentität betrachtet und darauf basierend Positionierungsempfehlungen erarbeitet.
Welchen Hintergrund bringen Ihre Kollegen dafür mit?
In unserem Team arbeiten Strategen, die entsprechende Instrumente zum methodischen Vorgehen zur Verfügung haben. Ich glaube fest daran, dass sich in einer extrem fragmentierten Kommunikationswelt, nur noch mit Substanz und Glaubwürdigkeit Botschaften verankern lassen. Es geht uns also nicht darum Images zu kreieren, sondern Vorhandenes erfolgreich zu vermitteln.
Zudem sind unsere Kunden komplett digital. Wir haben ein Redaktionsteam das für unsere Kunden 24/7 Inhalte für ihren Social Media Content schafft.
Wer sind Ihre Kunden? Ist es der Fußballer, für den Sie die digitalen Kanäle pflegen, oder sind es Marken wie Mars, Coca-Cola & Co, für die sie im Sportbereich die Positionierung entwickeln und digitale Medien bespielen?
Unsere Kunden sind vor allem Unternehmen, aber auch Verbände, Vereine und Athleten. Wir haben zum Beispiel während der Olympischen Spiele für den DOSB (Deutschen Olympischen Sportbund) alle bedeutenden Ereignisse der deutschen Athleten in Echtzeit in den sozialen Netzwerken kommuniziert. Dem stand aber zu Beginn der Zusammenarbeit vor Jahren voran, den Verband zunächst in seinem Selbstverständnis dahingehend zu beraten, über Dopingfälle und Korruption im Sport hinaus zu kommunizieren. Nämlich als größten Sportverband des Landes auch die Erfolge der deutschen Sportler zu feiern und damit auch die eigene Förderung zu würdigen.
Wir sind ein junges Team und alle dürfen mit den Ideen spielen. Wir nutzen die Strahlkraft des Sports auch dazu, die Mitarbeiter emotional an unser Unternehmen und an die betreuten Marken zu binden. Dafür brauchen wir mutige, kreative Leute. Aber um sie dann auch zu halten, ist der Sport und seine Großereignisse wir WM Turniere und Olympische Spiele einfach großartig.
Wie motivieren und führen Sie sonst Ihre Kollegen, um sie an Bord zu halten?
Das Thema Führung fordert mich immer wieder aufs Neue heraus. Die Anforderungen haben sich komplett gewandelt. Ich arbeite hier mit sehr vielen jungen Menschen. Sie erwarten einen anderen Führungsstil als ich ihn vor fünf, zehn oder fünfzehn Jahren für angemessen hielt. Sie blicken anders auf das Leben und ihre Berufslaufbahn, benötigen eine andere Ansprache und Motivationsfaktoren. Das ist eine große Herausforderung, wenn man sie ernst nimmt. Es ist wahrscheinlich der allergrößte Transformationsprozess im Augenblick, denn es bedeutet, sich immer wieder auf neue Rahmenbedingungen einzustellen.
Es gibt eine Menge Führungskräfte, die daran scheitern. Manche intellektuell, weil sie den Wandel nicht verstehen. Und es gibt den emotionalen Aspekt, der sich gegen Veränderungen sträubt.
Entscheidend ist es zu erkennen, was heute gefordert ist, d.h. die Instrumente entsprechend zu verändern und das Verhalten nicht emotional zu bewerten, sondern Verhalten als Fakt zu verstehen und darauf aufbauend neue Strategien zu definieren.
Das Ziel ist noch dasselbe, nur der Weg fehlt den Führungskräften…
Ja, man muss seinen Weg finden, damit umzugehen. Feedback, zum Beispiel, ist extrem wichtig geworden ist. Es geht um junge Menschen, die in einer permanenten Facebook-Kultur aufwachsen sind und vor allem positive Resonanz gewohnt sind. Sie spielen Videospiele und erreichen das nächste Level. Laufen mit Motivationsfunktionen. Permanentes Tracking ist etabliert. So erwarten junge Menschen es dann auch im Berufsleben. Viele junge Menschen sind extrem selbstbewusst und exzellent ausgebildet. Der Umgang mit Friktionen und Negativerlebnissen fällt ihnen allerdings extrem schwer.
Noch einmal zu Ihren Kunden, Sie sprachen von Vereinen. Welche Art von Vereinen nimmt Ihre Beratung in Anspruch?
Wir haben zum Beispiel gerade eine komplett neue Positionierung mit dem Fußballbundesligisten Hertha BSC entwickelt.
Ändert sich bei einem Fußballverein wie der Hertha BSC aufgrund neuer Generationen und anderen Erwartungshaltungen die Positionierung signifikant?
Das Fußballgeschäft entwickelt sich rasant immer weiter in die Breite, weil es inzwischen alle Milieus gleichermaßen erreicht und bindet. Zudem etablieren sich stetig neue Geschäftsmodelle rund um den Sport. Ich fürchte, dass die Tiefe der Kundenbeziehung dabei verloren kontinuierlich abnimmt. Dementsprechend ist es für Fußballclubs eine Herausforderung, Fans und Mitglieder zu binden. Das geht vor allem darüber, indem man eine Haltung hat, in der sich die Fans wiederfinden können. Identifikation entsteht durch eine klar definierte Identität. Diese für Hertha BSC herauszufinde,n verbunden mit der Frage, warum der Club in der Hauptstadt noch immer nicht so richtig angekommen ist, das haben wir intensiv analysiert und darauf basierend eine Positionierung erarbeitet. Sie zielt darauf ab, neue Menschen für diesen Club zu begeistern. Was ist die Attitüde der Stadt? Was davon steckt auch im Verein Hertha BSC? Wie bekommen wir die vielen zugezogenen Menschen, die in der Regel einen anderen ersten Verein haben, dazu, samstags zu Hertha BSC zu gehen? Wie bekommt man dieses schöne, dann doch aus der Zeit gekommene Stadion gefüllt? Bei all diesen Fragen muss man differenzieren: Das eine ist die Identität, das andere ist die Zielsetzung. Auch dabei ist es wichtig, die Veränderungen im Markt wahrzunehmen. Der Stadionbesuch ist bislang linear geblieben, ansonsten konsumieren Menschen Sport völlig anders. Auch die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sind völlig andere geworden, was zu einer anderen Wahrnehmung der Clubs geführt hat.
„Die einzige Konstante im Universum ist der Wandel“. Was ist die Konstante in Ihrem Leben?
Wohl tatsächlich die Wandlungsfähigkeit. Ich hätte manchmal gern eine höhere Neigung zur Konsolidierung. Bewegung, ist meine Konstante. Ich hatte großen Spaß, JungvonMatt/sports zu gründen und finde es auch jeden Tag wieder spannend zu begleiten, wie sich ein Unternehmen aus einer Idee heraus konstituiert und wächst – inklusive der Wachstumsschmerzen, die damit verbunden sind. Es ist ein sich rasant verändernder Markt und immer wieder erfordert er Flexibilität. Das finde ich als herausfordernd. Vor allem aber erfüllt mich, Strategien für die Zukunft zu entwickeln, junge Leute zu begleiten, aus all dem zu lernen und damit Neues zu initiieren.
Mehr können Sie noch nicht sagen?
Nein, aber wir sind gerade dabei neue Geschäftsfelder zu erschließen und die Agentur um entsprechende Kompetenzen zu erweitern.
Und in jedem Fall habe ich Lust, noch einmal ein Unternehmen zu gründen.
Allein?
Nein, ich bin nicht gut alleine. Ich brauche die entsprechende Konstellation. Meine Erfahrung ist, dass ich am besten in heterogenen Führungsteams arbeiten kann, so wie es bei JvM der Fall ist. Außerdem brauche ich die Freiheit, parallel auch andere Sachen zu machen, wie bspw. Bücher zu schreiben. Diese Gestaltungsfreiheit und den Eklektizismus möchte ich mir bewahren. Das eine beeinflusst und bereichert das andere. Auch wenn es manchmal mühsam ist zwischen den unterschiedlichen Themenwelten zu wechseln.
Ich bin überzeugt, dass es am glückvollsten ist, den eigenen Neigungen und Leidenschaften Bedeutung zu geben. Ich habe in den vergangenen Jahren solche entdeckt, von denen ich vorher nicht wusste, dass sie da sind. Das Schreiben zum Beispiel. Es ist eine enorme Freiheit die Möglichkeit zu haben, den inneren Phasen zu folgen. Ich hatte zuletzt nicht die Fähigkeit zur Introspektion und Stille, die das Schreiben braucht. Die Geschwindigkeit der Agentur und die Möglichkeit Akzente setzen zu können, im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Unternehmens, oder eine Unternehmensneugründung voran zu treiben, haben mir gut getan. Jetzt habe ich das Bedürfnis nach Einlassung und Fokussierung. Und deshalb kann ich mir einen Rückzug, um zu schreiben, sehr gut vorstellen. Das Buch habe ich schon im Kopf, nun werde ich sehen, ob es zu schreiben gelingt. Die Dialektik empfinde ich jedenfalls als großes Geschenk.
Der Sport begleitet Katja Kraus seitdem sie denken kann. Dabei ist sie immer wieder in unterschiedliche Rollen geschlüpft, die sie im Wechsel oder auch mal gleichzeitig einnimmt: Sie war Fußballnationalspielerin, Marketing-Vorständin beim Hamburger SV, ist heute Buchautorin, Sportagentur-Chefin und Dax-Aufsichtsrätin bei Adidas.
Das Interview führte Nicole Mai, Senior Executive Search Consultant bei Cribb.