Viele Dax-Konzerne können im “War for Talents” nicht mithalten, diagnostiziert die Personalberatung Dwight Cribb. Weil sie festgefahrene Vergütungsstrukturen haben und nicht flexibel auf die Wünsche junger Digital- und IT-Spezialisten eingehen. Startups und kleinere Unternehmen haben daher oft bessere Karten bei der Zielgruppe. Aber heute sind es die Digital- und Technologieexperten, die maßgeblich zum langfristigen Erfolg beitragen. Deswegen sollten Unternehmen ihre Gehälter neu überdenken, fordert Dwight Cribb im W&V-Interview.
Dax-Konzern vs. Digitalunternehmen: Wer bezahlt High Potentials besser?
Das kommt ein wenig auf die Situation und Definition von High Potentials an. Grundsätzlich zahlen die Dax-Unternehmen bei den Einstiegsgehältern für Informatiker mehr als viele Startup-Unternehmen. Bei den großen Tech-Unternehmen sieht das aber ganz anders aus, hier werden meist die höchsten Gehälter für Tech-Talente bezahlt, man fokussiert sich aber wirklich auf die High Potentials, also die Top 5 bis 10 Prozent.
Bei den oberen Führungskräften sieht das Bild noch etwas anders aus, bei ähnlicher Führungsverantwortung verdienen sie selbst in noch recht jungen Startups häufig mehr als bei beim Dax-Unternehmen.
Gibt es auch Unterschiede in der Struktur der Entlohnung?
Neben Gehalt und Bonus ist es bei Startups und Tech-Unternehmen meist die Teilhabe an der Wertentwicklung des Unternehmens, das zu sehr hohen Einkommen führt. Diese virtuellen oder tatsächlichen Beteiligungen geben Mitarbeitern und Führungskräften die Chance, direkt am Erfolg zu partizipieren und aufgrund der meist mehrjährigen Laufzeit dieser Programme binden sie Mitarbeiter ans Unternehmen.
Marketing vs. Vertrieb vs. Technik/IT: Braucht es eine Neubewertung, wer wieviel zum Unternehmenserfolg beiträgt?
Absolut. Traditionell wurde Vertrieb als Profit Center gesehen und zumindest im Digitalbereich gilt Marketing als ebensolches, da es den Verkauf online direkt und messbar beeinflusst. Aber die IT gilt in vielen traditionellen Unternehmen als Cost Center, bei dem es um Effizienz und Einsparung geht. Dass hier die Weichen für die Zukunft gestellt werden, scheint noch nicht jedem klar zu sein. Ein starkes Indiz für eine nicht zeitgemäße Sicht der IT ist, wenn diese im Verantwortungsbereich des CFO liegt.
Welche Rolle spielt das, was auf dem Gehaltszettel unter Strich steht, überhaupt noch für die nachrückende Manager-Generation?
Geld ist selten der primäre Grund einer Entscheidung für oder gegen eine Stelle. Aber ein gutes Einkommen ist dennoch auch den nachrückenden Managern wichtig. Sie bewerten Arbeitsinhalt, Sinn, Kultur, Arbeitsweise, Team und Geld als Gesamtmix, bei dem das Gesamtergebnis stimmen muss. Das hat jede Generation vor ihr auch schon gemacht, der Unterschied liegt nur im Wert, der den unterschiedlichen Komponenten zugemessen wird.
An welcher Stellschraube sollten Großunternehmen als erstes drehen?
An der Kultur und der Art, wie (zusammen)gearbeitet wird. In Großunternehmen entstehen teils groteske Handlungslogiken, die gesteuert werden durch schlechte Prozesse, falsch gesetzte Incentivierungspunkte und einer Kultur, in der Selbstoptimierung akzeptabel und gängige Praxis ist. Dieses Umfeld ist für jeden, der etwas verändern möchte und Sinn in seiner Arbeit sucht, unerträglich.
Welche Incentives haben sich bewährt?
Finanzielle Incentives nutzen sich schnell ab. Das Gehalt muss angemessen und fair sein und der Beitrag des Einzelnen zum Gesamterfolg honoriert werden. Aber langfristig sind es Dinge, die eine möglichst gute Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit ermöglichen, die am meisten motivieren und binden. Daher bewährt sich das Angebot flexibler Arbeitszeiten, Homeoffice-Regelungen und klarer Ziele, die dem Einzelnen und dem Unternehmen zeigen, dass der gewünschte Beitrag zum Erfolg geleistet wird.
Das Interview erschien am 24. Juli 2019 in der W&V.