Darüber hinaus verfügt sie über ganze 15 Jahre Startup-Führungserfahrung (u. a. eBay, Naspers und Glossybox). Von der WirtschaftsWoche wurde sie treffenderweise als “Übersetzerin” bezeichnet, denn auf der einen Seite ist sie bekannt für ihr analytisches Denken sowie ihre technische Expertise und auf der anderen Seite weist sie ein besonderes Gespür für Kunden- und Mitarbeiterbedürfnisse auf. Eine seltene, aber heute mehr denn je gefragte Kombination.

Welchen speziellen Themen müssen sich Aufsichtsräte ab sofort verstärkt widmen?

Ganz offensichtlich muss sich jede Industrie mit der Disruption durch Technologie, sich verändernden Kundenverhalten, Globalisierung, den Herausforderungen des Klimawandels und der veränderten Arbeitswelt befassen und die Boards / Aufsichtsräte spielen eine besondere Rolle in all diesen Themen. Ich persönlich sehe die größte Aufgabe, das Unternehmen für den sich beschleunigenden Wandeln mit nicht nachlassendem Druck bestmöglich aufzustellen
z. B. indem bisher erfolgreiche Herangehensweisen radikal hinterfragt werden. Andererseits hat das Board die Aufgabe, größtmögliche Unterstützung in den Unsicherheiten, bei Risiken eines konsequenten Wandels die Geduld und Fehlertoleranz aufzubringen. Dieser Spagat ist für mich ein Hauptthema.

Unabhängig vom Kompetenzprofil: Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Aufsichtsratsmitglied mitbringen, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen? 

©Yunar

Zu allererst müssen sie nach vorne gerichtet denken und bestenfalls selbst einen Fuß in der Zukunft haben. Die Bescheidenheit, dass etwas in der Vergangenheit funktioniert hat, nicht unbedingt die Lösung in der Zukunft bringt, sondern man auch selbst immer neu dazulernen muss, ist wesentlich.
Ich glaube auch, dass es – wie ich in meiner Arbeit feststelle – extrem wertvoll ist, als Aufsichtsräte Personen zu haben, die selbst noch eine operative Rolle innehaben. So schnell wie sich so vieles in Industrien und der Arbeitswelt ändert, habe ich es zu oft erlebt, dass die operative Erfahrung von Aufsichtsräten aus Zeiten stammen, die nicht mehr so relevant sind. Und da sind heute 5 Jahre schon lang!

Wenn du etwas jetzt sofort ändern könntest: Was würdest du in Aufsichtsräten als Allererstes ändern?

Grundsätzlich für mich ganz offensichtlich Diversität der Zusammensetzung – diverse Perspektiven und konstruktiver Diskurs waren bisher das fruchtbarste, was ich in Aufsichtsräten auch selbst erlebt habe. Auch waren die besten Sitzungen diejenigen, wo die Unterlagen inhaltlichen so gut aufbereitet waren, dass man sich beim Durchlesen auf den Status und die Vorschläge vorbereiten konnte und man die Sitzungen konstruktiv zur Diskussion und als echtes Sounding Board genutzt hat.

Was würdest du Aufsichtsrats-Neulingen mit auf den Weg geben?

Grundsätzlich (wie so oft im Leben) sollte man – wenn man die Möglichkeit bekommt – von den Besten lernen. Ich höre oft, dass viele Neulinge sich erst einmal an einem “kleineren” Mandat ausprobieren wollen – ich glaube, das ist sehr viel härter und oft riskanter. Ich hatte das Glück, meine ersten Mandate in zwei börsennotierten Firmen mit sehr renommierten und erfahrenen Aufsichtsratsvorsitzenden zu arbeiten und habe unglaublich davon profitiert.

Gab es in deiner bisherigen Arbeit als Aufsichtsratsmitglied ein Aha-Erlebnis?

Um ein Tolstoi-Zitat abzuwandeln: Überraschenderweise gleichen sich alle erfolgreichen Firmen in vielen wesentlichen Elementen: die Probleme auf der anderen Seite haben oft so ganz unterschiedliche Ursachen!

Und in Ihrem Fall noch eine sechste Frage: Was können deutsche Aufsichtsräte von ausländischen lernen?

In vielen nicht-deutschen Boards haben die Boards nicht nur eine hauptsächlich kontrollierende Funktion, sondern sind auch für wesentliche Teile der Unternehmensstrategie verantwortlich. Daraus ergibt sich ein sehr aktives und stärkeres Miteinander-Arbeiten im Board. Darüber hinaus wird sich nicht so stark am eigenen Markt, sondern viel internationaler orientiert, was deutschen Boards oft auch sehr helfen würde.

Alle Weichensteller