Human Ressource-Leiter wollen mit Kandidaten ins Gespräch kommen, statt sie, wie früher zu verhören. Was bedeutet das im Alltag?
Maren Freyberg: Eine andere Haltung vor allem. Heutzutage sollten sie sich auf Augenhöhe kennenlernen und Gelegenheiten für gemeinsames Wachstum herausarbeiten. Das bedeutet aufrichtiges Bemühen von beiden Seiten, einander zu verstehen und zu unterstützen. Nur wer viel Wertschätzung für die Kandidaten mitbringt und auch von Unternehmensseite aus aufzeigt, wo der Mehrwert für den Kandidaten liegt, kann hier punkten. Außerdem sind Verbindlichkeit und schnelle Entscheidungen im gesamten Prozess notwendig. Und aufrichtiges Interesse für die Kandidaten.
Welche Tipps haben Sie für Bewerber, um authentisch und professionell zu erscheinen?
Maren Freyberg: Ganz wichtig: Selbstreflexion. Sich bewusst zu machen was sie können und was nicht. Wer sich gar nicht einschätzen kann – auch wie er auf andere wirkt – der wird häufiger Überraschungen in den Reaktionen anderer erleben. Und was man fordert muss natürlich zu dem passen, was man selbst bieten kann. Ein Ungleichgewicht – also nur fordern, aber keinen Mehrwert liefern – mag zwar authentisch wirken, aber nicht professionell und vor allem nicht angemessen. Professionell auftreten heißt außerdem auch, Befindlichkeiten und zu starke Emotionen außen vor zu lassen. Authentisch ja – aber zu große Emotionalität geht zu Hause, aber nicht im Job.
Worauf sollten sich Bewerber vorbereiten, die das Unternehmen betreffen? Klassische Daten wie Gründungsdatum und Co. oder auch Daten, die in die Tiefe gehen?
Maren Freyberg: Wenn ein Bewerber sich nicht vorab schlau macht und sowohl die Webseite als auch die letzten Nachrichten zum Unternehmen liest, hat er anscheinend kein Interesse und muss gar nicht erst auftauchen. Er braucht keine Jahres- und Umsatzzahlen auswendig zu lernen, muss sich aber einen Überblick und ein Verständnis für das Unternehmen verschafft haben.
Wir bei cribb sind auf Führungsrollen, insbesondere in Transformationsprozessen, spezialisiert. Da geht es in Gesprächen um Marktpotenziale, Geschäftsmodelle, Organisationsveränderungen. Die Vergangenheit ist hier insofern relevant, wie sie das Wachstum der Zukunft hemmen oder fördern könnte. Das Eindenken in Produkte und Organisationen ist hier gefragt. Das braucht natürlich tiefergehende Beschäftigung mit dem Unternehmen und dessen Umfeld.
Die Frage nach den Gehaltsvorstellungen ist ein heißdiskutiertes. Welche Tipps haben Sie für Bewerber? Pokern oder Zurückhaltung?
Maren Freyberg: Nicht pokern, sondern offen sein: Was bringt man mit für das Unternehmen – das ist die wichtigste Frage. Was ist der Mehrwert, was ist man bereit zu tun. Und was ist einem Unternehmen das wert. Einseitig nur von sich aus zu denken hilft dabei höchstens kurzfristig.
Auch die Unternehmen müssen sich gut überlegen, wie sie ihr Gehaltsgefüge strukturieren und ob sie in manchen Phasen für bestimmte Positionen Ausnahmen machen, weil die Rollen gerade erfolgskritisch und die Kandidaten gefragt sind. Damit meine ich nicht, den Markt dadurch kaputt zu machen, dass man Junioren horrende Gehälter zahlt, um sie abzuwerben, und so nur kurzfristig denkt. Aber: Wenn zum Beispiel die Technologie im Unternehmen in den Kern gerückt ist und man für die Neuausrichtung einen hervorragenden Technologie-Chef braucht, der im internationalen Wettbewerb Standards setzen kann, dann ist das eben in dem Moment die „wert-vollste“ Aufgabe im Unternehmen, die man auch entsprechend honorieren muss.
Welche Gewichtung nimmt die Persönlichkeit und welche die objektiven Fertigkeiten und Fachkenntnisse bei der Auswahl eines Kandidaten ein?
Maren Freyberg: Nicht für jede Position lautet die Antwort gleich, aber mein Rat ist: Viel mehr als üblich für Skills und Persönlichkeit einstellen als für Fachkenntnisse – überall da, wo es von der Aufgabenbeschreibung her geht. Das kommt meist zu kurz und kann gerade langfristig erfolgreich sein.
Insbesondere in Führungspositionen kommt es in diesen Zeiten der ständigen Veränderung mehr denn je auch auf die Haltung an. Wir schauen bei Führungskräften auf vier Aspekte, die man mehr oder weniger schnell verändern und entwickeln kann und die darüber entscheiden, wie fit sie für zukunftsgerichtete Führungsaufgaben sind (wir nennen das „core digital“):
- Das Wissen um Neues, Digitales, Agiles, Wandel von Geschäftsmodellen gepaart mit der Lernwilligkeit: Dies lässt sich schnell ändern und anhäufen.
- Die Erfahrung in Digitalisierung, Veränderung und neuen Arbeitsweisen zusätzlich zur eigentlichen Funktion: Sie lässt sich auch recht schnell sammeln.
- Die Haltung zu Digitalität, zu Neuem und zum lebenslangen Lernen: Sie kann sich durch mehr Wissen und Erfahrung verändern, was aber Stück für Stück geht und etwas länger dauert.
- Und schlussendlich die Persönlichkeit: Diese kann sich durch all die neuen Impulse aus den ersten drei Kriterien ganz langsam in eine Richtung entwickeln, in der Führungskräfte mit Veränderungen immer besser umgehen können – hierbei spielt auch die öko-soziale Vorprägung der Führungskräfte eine Rolle – vor allem aber die Haltung.
Und wir beschäftigen uns vermehrt mit einer zusätzlichen Fragestellung in Hinblick auf die Team- Zusammensetzung: Welchen Beitrag leistet jemand zur kognitiven Diversität des bestehenden Teams. Wie kann man Teams so aufstellen, dass sie ein großes Spektrum abdecken, das eben nicht nur nach fachlicher Qualifikation zusammengesetzt ist.
Welche Methoden und Kanäle nutzen Sie für die Rekrutierung von Personal?
Maren Freyberg: Der eine Aspekt für die Rekrutierung ist das Finden der Kandidaten, die qualifiziert sind für die Position. Hierzu nutzen wir in der Recherche sehr viele Kanäle – bei weitem nicht nur die sozialen Netzwerke. Alle Informationen, aus denen wir sehen können, wer sich zu einem Thema hervortut oder eine Rolle gut ausfüllt, suchen wir zusammen. Und das beständig und nicht nur punktuell. Wir beobachten den Markt sehr genau und haben außerdem nach über zwei Jahrzehnten am Markt ein sehr gutes Netzwerk, aus dem wir hören, wer besonders erfolgreich ist. Der andere Aspekt ist die Beurteilung und Auswahl der Kandidaten auf die jeweilige Position hin. Das ist ein mehrgliedriger Prozess, in dem wir in Interviews unsere Markt- und Menschenkenntnis nutzen und diese um Tools ergänzen, die uns die Persönlichkeit deutlicher zeigt. Das können beispielsweise Verhaltenspräferenzanalysen sein, die zeigen, wie ein Mensch sich natürlich verhält und wofür er große Kraftanstrengung braucht. Es ist also eine Kombination aus Daten, menschlichen Eindrücken aus variierenden Gesprächskonstellationen und methodischen Befragungen. Und am Ende finden wir die Besten für die jeweilige Aufgabe!
Frau Freyberg, vielen Dank für das Gespräch!
Das Originalinterview finden Sie hier.