Dwight Cribb ist einer der Top-Experten, wenn es darum geht, herauszufinden, wie sich die Digitalisierung auf Branchen und die dort Beschäftigten auswirkt. Im Gespräch mit der DVZ erläutert er, auf welche Veränderungen sich Logistikakteure einstellen müssen.
Verglichen mit anderen Branchen: Wie digital ist die Logistik bereits?
Cribb: Die Logistikbranche ist eigentlich eine Branche, die schon früh digitalisiert wurde. Das gilt zumindest in einem gewissen Rahmen, wenn man beispielsweise an die Nutzung von EDI-Verbindungen zwischen Dienstleistern und ihren Kunden denkt. Nun steht allerdings der nächste Entwicklungsschritt an, indem das Plattform-Geschäft an Bedeutung gewinnt, beispielsweise bei der Tourenvermittlung im Landverkehr. Dort drängen viele junge Unternehmen in den Markt und die etablierten Anbieter tun noch wenig, um sie daran zu hindern.
Woran liegt das?
Sie setzen in der Mehrzahl noch auf ein erfahrungsgetriebenes Modell und damit die klassische Disposition. Ich fürchte allerdings, dass den datengetriebenen Modellen mit entsprechenden Prognosefähigkeiten die Zukunft gehört.
Wie wirkt sich das konkret aus?
Die Plattformen werden zwischen die Dienstleister und ihre Kunden geschaltet. Die Folge ist, dass der Dienstleister nicht mehr die direkte Nachfrage zugeteilt bekommt. Zudem gibt es eine höhere Preistransparenz. Und das wiederum führt dazu, dass die Profite zu den Plattformen wandern.
Was bedeutet das wiederum für die Mitarbeiter in den Logistikunternehmen, beispielsweise für Disponenten?
Sie müssen umgeschult werden und mit der Software interagieren. Das heißt, dass erfahrene Disponenten quasi die Software anlernen, so dass diese irgendwann selbst „schlau“ ist. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass einzelne, vor allem einfache Berufsbilder in der Logistik wegfallen werden.
Auf der anderen Seite ist das Thema Fachkräftemangel auch in der Logistikbranche ein großes und die Anbieter kämpfen mit Unternehmen aus anderen Branchen um die hellsten Köpfe in Sachen Digitalisierung. Ist die Logistikbranche für solche Digital Experts attraktiv genug?
Branchen sind grundsätzlich immer dann für solche Leute interessant, wenn sie erkennen, dass sie etwas bewegen können. Die Logistiker müssen sich vor diesem Hintergrund sicherlich verändern und die Logistik neu denken. Grundsätzlich gibt es in der Logistik aber vielfältige Chancen, etwas zu gestalten und zu verändern – auch für die angesprochenen Digital Experts.
Neben den richtigen Mitarbeitern braucht es auch die richtigen Strukturen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Wie müssen sich Unternehmen konkret aufstellen?
Wichtig ist, dass das Thema Digitalisierung auf dem Top-Level angesiedelt ist. In Konzernen ist das die Vorstandsebene, im Mittelstand die Geschäftsführung oder der Inhaber. Dort muss die Digitalisierung vorangetrieben werden, sonst ist das Thema zum Scheitern verurteilt.
Wie sinnvoll ist es, das Thema Digitalisierung bei einem extra dafür verantwortlichen Manager, einem Chief Digital Officer (CDO), anzusiedeln?
Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Aber auch hier gilt: Ein CDO wird nur dann erfolgreich sein, wenn er nahe des Vorstands oder der Geschäftsführung angesiedelt ist oder sogar Mitglied in diesen Gremien ist.
Mit der Digitalisierung der Logistik einher geht das Vordringen zahlreicher Start-ups. Was können etablierte Logistiker von den Newcomern lernen?
Klassische Unternehmen und gerade Konzerne sind vergleichsweise träge. Dort wird erst einmal lange geplant, es werden Vorlagen geschrieben und Ähnliches, bevor ein Projekt ans Rollen kommt. Start-ups gehen sehr leichtfüßig an große Herausforderungen wie die Digitalisierung heran. Da können sich die Großen von den Kleinen sicher noch einiges abschauen. Gerade in der frühen Phase suchen Start-ups oft die Nähe zu größeren Unternehmen. Hier sollten Logistikunternehmen aufgeschlossen sein und sich öffnen, so lernen sie von den Start-ups und können die neuen Entwicklungen hautnah beobachten.
Das Interview erschien am 22. März 2017 auf dvz.de.