Tobias: So Maren, wie sind wir denn eigentlich genau hier gelandet? Das ist doch mal eine spannende Frage, oder? Wie kam es zu mir?
Maren: Für Dwight und mich war klar geworden, dass wir für den weiteren Aufbau unseres Beratungsgeschäfts gern jemanden holen wollen, der einen anderen Blick mitbringt und uns von seiner Persönlichkeit und seinen Stärken her ergänzt. Der den positiven Effekt von organisationaler Veränderung genauso kennt wie die damit verbundenen Mühen, und der neue Konzepte auf ein sauberes inhaltliches Fundament stellt. Der das dann auch noch umsetzt und mit dem wir kognitiv diverser werden. Nicht ganz leicht also….
Aber genauso spannend ist ja, wie du gedanklich zu uns kamst. Nach dem Agenturgruppen CEO zur Personalberatung ist auch nicht gerade naheliegend, oder?
Tobias: Eure Ziel-Themen sind alles welche, die ich für mich in Anspruch nehmen möchte, ganz bestimmt. Und interessanterweise war ich zwar schnell sehr angetan von euch und unseren ersten gemeinsamen Überlegungen und ob der Gelegenheit usw., aber gleichzeitig unsicher, ob ich der Richtige bin. Ich hatte in den vergangenen Jahren zwar eine Vielzahl personeller Veränderungen in meinem Gestaltungsbereich initiiert und exekutiert – aber Executive Search war natürlich trotzdem so überhaupt nicht meine Branche.
Maren: Hast du noch gar nicht erzählt! Dann jetzt mal raus damit, wie kam es dann doch dazu?
Tobias: Nach mehreren unserer Gesprächsrunden und zertifizierten Persönlichkeitsanalysen sowie unserem ersten Arbeitsmeeting zu dritt und einem Treffen mit ersten Personen aus dem Team sagte ein Freund, dem ich von meinen Überlegungen erzählt hatte, den entscheidenden Satz: „Die sind doch die Profis darin, die besten Leute für die Aufgabe zu finden, oder? Wer bist du, dass du mehr Zweifel hast als sie Entschiedenheit haben!“ Er hatte Recht! Ich glaube, wir alle denken auf dem Weg durch den Parcour der eigenen Entwicklung vor allem in firmen- oder branchenspezifischen Learnings und damit verbundenen Assets, die wir aufbauen. Und dann sehen wir zu selten die branchenübergreifende Expertise, die wir im Rahmen unserer spezifischen Karrierewege erwerben.
Maren: In der Tat, wir sprechen von „generic skills“, die – anders als die company specific skills und die industry specific skills – häufig in der Betrachtung viel zu kurz kommen. Dabei sind es gerade solche, die sowohl für Kandidaten als auch Unternehmen die größten versteckten Potenziale bereithalten.
Tobias: In der Zeit zwischen meiner letzten Aufgabe und meiner neuen habe ich jeden Tag mit meinem Sohn verbracht, und natürlich auch mit meiner Frau – aber die musste arbeiten – und habe viel über das nachgedacht, was ich insgesamt so erlebt habe, bei meinen jungen Jahren angefangen. Betrachte ich mein bisheriges Leben unter diesem Prisma, kann ich erkennen, dass sich bei mir früh das Thema Unterschiedlichkeit und Veränderung mit Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit verbunden hat.
Angefangen übrigens schon in der Schulzeit! Das sollte man als Quelle zum besseren Verständnis einer Person viel häufiger auch betrachten, denke ich. Meine begann z.B. in einer inklusiven Klasse aus Kindern mit und ohne Behinderung sowie unterschiedlichen kulturellen, Bildungs- und Einkommenshintergründen, nahm ihren Verlauf über das pädagogisch spannende Projekt einer integrierten Brennpunkt-Schule und fand ihren Abschluss auf einem privaten Gymnasium mit eigenem Bootshaus, Rugbyplatz und Stallungen.
Maren: Das klingt in der Tat ungewöhnlich und sicherlich auf eine reichhaltige Art prägend! Ich kenne ja deinen Werdegang und wir haben uns intensiv ausgetauscht, natürlich viel über deinen beruflichen Weg. Mich hat dabei beeindruckt, dass du aus allen Stationen Learnings über dich ziehst und darüber, was zu dir passt und was du kannst. Erzähl mal, was kam danach? Was hat dich charakterlich früh geprägt?
Tobias: Neben dem üblichen Suchen zu Beginn des Erwachsenenlebens – und meines bewegte sich zwischen den vermeintlich gaaanz großen Fragen des Jurastudiums und den gaaanz großen Provisionssummen meines Nebenjobs als Immobilienmakler – war die große Konstante in meinem Leben der Sport. Mit 11 Jahren saß ich zum ersten Mal im Ruderboot, mit 21 habe ich als Angehöriger der Sportfördergruppe der Bundeswehr meinen letzten internationalen Wettkampf bestritten. Dazwischen liegen bis zu drei Trainingseinheiten pro Tag, zahlreiche regionale, nationale und internationale Wettkämpfe, Meisterschaften und Siege. Aber vor allem zigtausende Kilometer und Stunden mit mir selbst in einem Boot, in dem ich zwar nur selten alleine saß, in dem ich aber immer alleine für mich und meine Entwicklung verantwortlich war.
Maren: Das klingt nach reiner Disziplin! Wir haben mit Leistungssportlern als Kandidaten gute Erfahrungen gemacht. Auf welche Weise hat dich das geprägt? Durchsetzungsvermögen? Teamwork?
Tobias: Ja, das wären die offensichtlichen, aber eigentlich geht es tiefer. Dazu muss man verstehen, dass Rudern ein ehrlicher Sport ist. Er kennt – anders als der Fußball – keine Inspiration, nur die Suche nach der Reproduzierbarkeit der Perfektion. Dieser Sport kennt nur die Arbeit und die Umwandlung von Arbeit in eine lineare Fortbewegung. Ein und dieselbe Bewegung unter immer unterschiedlichen Bedingungen möglichst exakt zu wiederholen, synchronisiert mit je nach Bootsklasse einer bis 7 anderen Personen ist das Ziel. Alles wahrnehmen, alles zulassen und dabei den Fokus auf eine Sache entwickeln. Hätte Buddha einen Sport erfunden, es hätte das Rudern in einem Mannschaftsboot sein müssen!
Und wer einmal in einem wackligen Riemen-Zweier gesessen hat, in dem man mit beiden Händen lediglich einen der im Boot vorhandenen zwei Riemen bewegt und damit auch nur Einfluss auf die Hälfte seiner Realität hat, der versteht, was es in jedem organisationalen Veränderungsprozess wirklich braucht: die Arbeit an sich selbst und dadurch die Arbeit an einem kleinen Teil der Organisation und damit die Bewegung des gesamten Systems. Wer diese Erkenntnis körperlich erfahren durfte, der kann nicht mehr unabhängig von dieser Erkenntnis agieren.
Maren: Wow. Gut beschrieben. Am besten müssen wir also am Anfang eines Transformationsprozesses alle Mitarbeiter in ein Rudercamp schicken. Und nach dem harten Rudern im Boot kam dann das schicke Leben in der Agentur?
Tobias: Und dann auf der anderen Seite die Werbebranche. Oder wie ich es heute eher nennen möchte: die Kreativwirtschaft. Gekommen aus Neugierde (Werbung war damals noch intellektueller als heute. Nicht so kompliziert und dennoch und auf eine gute oberflächliche Art inhaltlicher, würde ich sagen). Geblieben bin ich aufgrund der Arbeit mit den Menschen. Der Menschen, die so anders waren als ich. Nach Menschen mit Behinderung, Privatschülern, Nationalmannschaft, Soldaten, Immobilienmaklern und Juristen waren die Werber und ich wirklich eine gegenseitige Herausforderung.
Maren: Tja, die meisten sagen zwar Ja zur Idee der Diversität, aber scheuen die Mühen und die Zumutung der anderen Meinung. Unbequem und nicht immer angenehm. Ohne durch die einzelnen Stationen gehen zu wollen: welche waren die ein oder zwei Themen, die sich durchgezogen haben?
Tobias: Ich würde sagen, in all meinen Rollen in unterschiedlichen Kreativagenturen ging es darum – immer wieder aufs Neue – in kurzer Zeit und dennoch mit der nötigen Tiefe, in Branchen einzutauchen und die spezifischen Herausforderungen des jeweiligen Kunden im Kontext seiner Branche zu verstehen und dann so zu vermitteln, dass ein Team an der Lösung der bestehenden Herausforderungen auf kreative Art und Weise arbeiten kann. Und dazu musst du dafür sorgen, dass sich diese Gruppe aus Menschen bildet, und sie dann so organisieren, dass sie zwar möglichst divergent in ihren Fähigkeiten ist, aber in einem gemeinsamen Mindset die anstehenden Themen bearbeitet.
Maren: Das hört sich ganz ähnlich an wie bei uns im Executive Search, auch wenn da sicherlich noch nicht häufig Parallelen gezogen wurden. Also analytisches Blitzschach gefolgt von der Orchestrierung der richtigen Leute auf die richtige Art?!
Tobias: Ja, das kommt dem recht nahe. Während der letzten Jahre lag mein Augenmerk vor allem auf dieser Art von Veränderung der Führungsteams, meistens in Form von inhaltlicher und charakterlicher Diversifizierung sowie einer entsprechenden Arbeitskultur. Das vielfältigste Team wird wenig bewirken, wenn es nicht Teil einer Kultur ist, die von der Begierde an der anderen Sichtweise geprägt ist und dem Wunsch, diese für die Qualität der eigenen Arbeit einzusetzen.
Und zuletzt, als CEO der deutschen Aktivitäten der globalen Kreativagentur TBWA, war die Entwicklung von einer kooperativen Umgangskultur hin zu einer kollaborativen Organisationsform ein wichtiges Thema. In der einen gönnt jeder den anderen den Erfolg, in der letzteren stellt jeder auch den Erfolg der anderen her. Die eine führt ein freundliches Gespräch an der Schnittstelle des Projektes, die letztere kümmert sich um beide Seiten der Schnittstelle und fragt sich „Was kann ich beitragen?“.
Maren: Strategischer Kontext, die richtigen Menschen in den richtigen Rollen, kombiniert auf die richtige Art und Weise und in einem gemeinsamen Mindset verbunden – das sind in der Tat auch in meiner Erfahrung die kritischen Punkte in jeder Unternehmensentwicklung. Der Rest wie Produkt und Technologie ergibt sich aus diesen Punkten zwar nicht von allein, aber ziemlich sicher.
Tobias: Ja, ich bin mir sicher, dass eine Unternehmung, die diese beiden Parameter für sich im Griff hat – hochqualifizierte und divers aufgestellte Teams, organisiert in einem geordneten, kollaborativen System – sich leichter tun wird, auf sich verändernde Rahmenbedingungen und die damit verbundene Komplexität zu reagieren. Sie wird einfacher jede Art von strategischer Ausrichtung nicht nur umsetzen, sondern mitgestalten können.
Was uns zum dritten Pfeiler und auch Schwerpunkt meiner letzten Rollen bringt: Strategie. In einem Dienstleistungsmarkt bedeutet das meiner Meinung nach vor allem zu verstehen, wohin sich die Bedürfnisse der eigenen Auftraggeber entwickeln werden und/oder sollten, und das eigene Angebot entsprechend zu gestalten. Sei es durch strategische Zukäufe oder internen Umbau. Und beides fällt umso leichter, je besser die Organisation in den beiden ersten Pfeilern – Teams und Kollaboration – aufgestellt ist, oder?
Maren: Da würden jetzt manche wohl sagen, es gibt ja noch andere Hebel, wie Produkt, Pricing etc. Aber ja, würde ich daran glauben, dass der größte Hebel zum Wohl der Unternehmen im Pricing liegt, ich wäre wohl nicht gerade PERSONALberaterin geworden.
Tobias: Ich glaube an die Kraft von Menschen und daran, dass man diese auf eine Art organisieren kann, die aus 1+1 zumindest mehr als zwei macht. Denn 0,75 aufgrund ggfs. existierender organisatorischer Reibungsverluste sind für jedes Unternehmen mehr als bedauerlich.
Maren: Sie sind inakzeptabel, würde ich sagen!
Tobias: Und um das zu erreichen, braucht es die Erkenntnis, welche Positionen wie geschaffen, verändert und besetzt werden müssen und wie man das diese Positionen umgebende Ökosystem zur Veränderung bewegen kann. Für diese Erkenntnis brauche ich gar nicht lange Personalberater sein. Das sagt mir meine Erfahrung als Unternehmer und Führungsperson.
Maren: Ja, und nun hilfst du den Unternehmen dabei, wie sie es umsetzen können, damit es auch erfolgreich wird. Das passt doch. Und zum Abschluss: Wie fühlt es sich nach den ersten 30 Arbeitstagen an, das Neue?
Tobias: Schaue ich auf das, was mich bislang interessiert hat, was mich geprägt hat und wofür ich dankbar bin, kann ich jetzt schon klar sagen: Bei euch liegt wieder viel Spannendes vor mir und ich geh einfach weiter an die Arbeit bei Cribb. Denn wie ich vorhin sagte: Wirklich in der Hand hat man nur sich selbst. Aber das kann ja ganz schön viel sein …