Ob dieses Reißbrett-Modell den Startups auf Dauer Erfolg beschert und für eine vielfältige, international aufgestellte Branchen-Struktur sorgen wird – da sind Fragezeichen erlaubt. Denn hinter einem erfolgreichen Startup steht immer ein Entrepreneur, der sein Team um eine organisch entwickelte Geschäftsidee versammelt. Der das Innerste seines Unternehmens und seines Marktes erfasst und wenn nötig Anpassungen vornehmen kann. Und der für die Vision, das Ding zum fliegen zu bringen und einen fulminanten Exit hinzulegen, Blut, Schweiß und Tränen gibt.
Dabei wäre etwas mehr Internationalität, Vielfalt und auch Kreativität in der deutschen Internet-Wirtschaft doch ganz schön. Denn heute kommen wir weltweit nur auf einen Marktanteil im Bereich weniger Prozent-Krumen, wie Stefan Glänzer vor einigen Tagen in seinem FAZ-Beitrag vorrechnete. Die Startup-Szene, wie sie sich heute darstellt, gibt leider nur wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich das in absehbarer Zeit ändert. Gute, eigenständige Ansätze sind rar – das hat die Recherche zu dieser Kolumne einmal mehr bestätigt. Gründe dafür gibt es viele: Dazu gehört ein Silicon Valley mit idealen Startup-Bedingungen, das uns hierzulande fehlt. Die segmentierten Märkte innerhalb Europas, deren Erschließung schlichtweg mehr Aufwand und Kosten verursacht, als es bei einem US-Binnenmarkt mit 310 Millionen Konsumenten der Fall ist. Auch die mangelnde Exzellenz der akademischen Ausbildung spielt mit hinein.
Vielen Startups wäre auch mit einem breiteren Early-Stage-Investment-Angebot geholfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür: ein Markt für gescheiterte Startups, der Investitionsrisiken überschaubarer machen würde. Solche Unternehmen werden hierzulande stets komplett abgeschrieben, obwohl sie in Teilen durchaus noch einen Wert haben. In anderen Märkten ist wesentlich häufiger zu beobachten, dass größere Player ganze Teams schlucken, die als wirtschaftliche Einheit zwar gescheitert sind aber strategisch wertvolles Know-how zu bieten haben. Zudem müssen wir in Deutschland noch lernen, groß zu denken. Den Amerikanern fällt es leichter, eine weltweite Marktführerschaft anzustreben. Hier stehen uns offenbar gesellschaftliche Vorbehalte im Wege.
Jetzt aber genug der Litanei – wenden wir uns den hoffnungsvollen Gründungen zu, die auch im deutschsprachigen Raum durchaus zu finden sind. Eine besonders interessante Entwicklung ist zum Beispiel das Zusammenwachsen der Green-Tech-Industrie mit der Internet-Wirtschaft.
Ein gutes Beispiel dafür liefert Christian Huthmacher, CEO von ScatterWeb. Mit seinem 2005 gegründeten Unternehmen ist er Teil der wachsenden Smart Grid Branche. Sie hat sich eine netzwerkbasierte Koordination von Stromerzeugern, -netzen und Verbrauchern zugunsten besserer Auslastung und mehr Wirtschaftlichkeit zum Ziel gesetzt. ScatterWeb besetzt mit seinen Smart Metering-Anwendungen für drahtlose Sensornetzwerke eine wichtige Schnittstelle, ohne die solche zukunftsweisenden Energie-Effizienzlösungen nicht möglich wären.
Kein neuer Name in der Internet-Szene und doch ein Unternehmer, der sich gänzlich unverbraucht mit aller Konsequenz und Leidenschaft in sein neues Startup stürzt, ist Ibrahim Evsan, Gründer von United Prototype. Eine Company aufzubauen braucht viel Kraft, ein Unternehmen wie Sevenload zum Erfolg zu führen noch viel mehr. Viele Gründer gönnen sich nach einem solchen Erfolg erst einmal eine Auszeit oder engagieren sich eher indirekt über ein Venture-Investment. „Ibo“ Evsan hat gleich nach seinem Ausscheiden bei Sevenload nahtlos mit der Gründung des nächsten Unternehmens begonnen. Wir dürfen gespannt sein auf United Prototype, das bald mit einem Social Web Game auf den Markt kommen wird.
Fast schon ein Serial Entrepreneur ist Sven Beichler, Gründer von myswisschocolate.ch. Gemeinsam mit seinem Partner hat er bereits drei Unternehmen aufgebaut, unter anderem das größte Schweizer Portal für Event Catering. Bald geht er mit myswisschocolate weltweit in die Schoggi-Offensive. Personalisierte Lebensmittel sind nicht neu, aber dieser Routinier im Unternehmensaufbau hat gute Chancen, die Welt mit seiner personalisierten Schweizer Schokolade zu beglücken. Das Produkt ist köstlich und kann wohl auf einen noch größeren Bedarf bauen als Müsli oder Pralinen.
Startups aus Frankfurt an der Oder sind eher eine Seltenheit, Christian Wolf, CEO von asgoodas.nu hat sich diesen Standort zum Vorteil gemacht. Er kauft gebrauchte, nicht mehr benötigte Elektronik über das Internet gegen Bares und verkauft die Ware nach einer Überholung im In- und Ausland weiter. In Frankfurt hat der Unternehmer gute Mitarbeiter und ein Startup freundliches Umfeld gefunden. Die Nähe zu Polen ist wohl auch nicht verkehrt.
Viel zu wenige deutsche Startups machen international eine gute Figur. Jimdo, gegründet von Matthias Henze, wird auch im Ausland stark beachtet und selbst von US-Branchendiensten kommentiert. Mit Toolkit und Hostingservice für das einfache Erstellen und Betreiben von ansprechenden Websites haben Henze und seine Mitstreiter einen Volltreffer gelandet – dabei dachten die meisten, dass das Thema längst tot sei. Es hat sich aber gezeigt, dass man dank exzellenter Umsetzung auch oder gerade mit einem Commodity Thema sehr erfolgreich sein kann.