Haben Sie schon mal etwas von feinbrand gehört? Wahrscheinlich nicht. Sollten Sie aber.

Kay Schlemenat war zu meiner Zeit als AOL-Chef gerade aus seiner Ausbildung raus und Teil des Creative Teams, dass Pre- und Post-Sales-Ideen für Werbekunden entwickelt hat. Er zog meine Aufmerksamkeit auf sich durch die Vorlage ausgezeichneter Ideen, und als ich ihn dann im Team kennenlernte, war ich ob seines noch jungen Alters verblüfft. Nach der Schließung von AOL entschied sich Kay, eine eigene Agentur zu gründen. Mutig für jemanden in den frühen Jahren seiner Karriere und ohne Vita voller Kreativschmieden wie Jung von Matt oder Ogilvy etc. Und dennoch – oder gerade deshalb – hat er namhafte Kunden für sich gewinnen können. Als wir uns kürzlich trafen, schaffte Kay es also abermals, mich sichtlich zu beeindrucken. Was er seitdem aufgebaut hat! Kunden wie Bild, Miele, Otto, Reemtsma, amazon, ZWILLING und Davidoff sind allesamt Marken, die man eher bei den Network-Agenturen vermuten würde. Und doch beweist die beeindruckende Kunden- und Projektliste wieder, dass Digital Natives durch ihre Nähe zum Produkt vielleicht die Frischeren und agiler unterwegs sind als so manch Kreativer mit Meriten.

Ein Blick auf Kay und seine weitere Entwicklung lohnt sich also…

Ich wünsche Ihnen ein weiteres goldenes Herbstwochenende!

Ihr
Harald R. Fortmann

 

Personalberater Digital-Check Kay Schlemenat1) Was wolltest du als Kind werden?

Diplom-Braumeister war eine erste echte Idee. Zwei Universitäten in Deutschland haben diese Möglichkeit geboten. Leider keine davon in Hamburg. Dort hätte mir die schöpferische und handwerkliche Arbeit von Einkauf bis Verarbeitung gefallen. In kreativen Berufen fühle ich mich aber nicht weniger zu Hause: Zahlen, Daten und Fakten sind dabei das Handwerk, die kreative Arbeit die schöpferische Tätigkeit.

2) Wie würden deine Mitarbeiter deinen Führungsstil beschreiben?

Ich denke, dass unterschiedliche Mitarbeiter auch unterschiedliche Stile erfahren, daher gibt es keine pauschale Antwort auf die Frage. Grundsätzlich gehe ich aber aus von einem gut gemeinten „work in progress“.

3) Und wie du selbst?

Ich versuche, individuelle Impulse zu geben und Erfahrungen, Geschehenes und Gesehenes aus erfolgreichen und weniger erfolgreichen Projekten der Vergangenheit und Gegenwart zu teilen. Ein Mitarbeiter kann mit diesem Rüstzeug einen Weg allein gehen und dadurch schneller eine Lernkurve nehmen als stark angeleitete Mitarbeiter. Ohne es zu väterlich zu meinen: Ich erzähle Geschichten vom komplexen und großen Wald, schmiere dabei einige Brote und packe den Proviant zusammen. Der Weg durch den Wald zum Ziel wird aber größtenteils vom Mitarbeiter allein gegangen.
„Metaphorisches Management“ nenne ich das für mich. Die Grundlage dieser Mitarbeiterführung ist für mich die Geschichte, die intrinsisch motiviert und dadurch zu einer bestmöglichen Eigenleistung antreibt.

4) Stichwort War for Talents: Wie gelingt es dir, die besten Mitarbeiter zu finden?

Ganz einfach: Less War. Man muss den Krieg nicht gewinnen. Aber vielleicht einzelne, wichtige Schlachten. Ein Talent wird entwickelt und steht selten geschmiedet und geschliffen vor einem. Insofern ist es die investierte Zeit in die Entwicklung, die darüber entscheidet, wie der „Krieg“ hier ausgeht. Die Bedürfnisse eines jeden Unternehmens sind schließlich genauso individuell wie die Talente. Mitarbeiter von heute sind ohne eine Entwicklung ihrer Kompetenzen morgen Mitarbeiter von gestern. Das passiert auch den Besten. Man muss sich also fragen, wie viel Zeit man investiert: Einerseits bei dem Versuch, den „War for Talents“ zu gewinnen, andererseits in die (Weiter-)Entwicklung zu investieren.

5) Und wie hältst du sie?

Entschlossene Reisende wird man nicht aufhalten können. Allerdings hilft eine gemeinsame Vision dabei, die Mitarbeiter auf Dauer für das Unternehmen und ihren Job zu begeistern. Mitarbeiter mit einem höheren Maß an Verantwortung auszustatten (job enrichment statt job enlargement), stimmt in unserer kreativen Digital-Agentur leistungsorientierte Mitarbeiter über die Dauer zufriedener. Kurzum: Niemand möchte jeden Tag dasselbe machen. Wer Schwierigkeiten hat, die Theorie zu verinnerlichen, sollte in der Praxis jeden Tag zur selben Zeit einen Teller seiner jetzigen Lieblingsspeise essen. Und sich dann nach einiger Zeit fragen, ob es noch die Lieblingsspeise ist. Wir sind alle auf neue Impulse (auch von außen) angewiesen.

6) Was bedeutet der digitale Wandel für dich im Alltag und auf der Arbeit?

Den privaten Alltag hat es sicherlich in vielerlei Hinsicht vereinfacht. Allerdings sollte man sich nicht täuschen lassen. Es sind vielleicht mehr Daten geworden, aber nicht immer sind es bessere Daten.
Für den Arbeitsalltag gilt, dass es keinen allgemeingültigen Arbeitsalltag gibt. Wir können uns von dem Gedanken verabschieden, dass es so etwas wie eine logische, systemische, dauerhafte Arbeitsfolge im digitalen Zeitalter gibt.

7) Die Risiken der Digitalisierung stehen oftmals im Vordergrund, wir möchten das Positive herausheben. Welche Chancen ergeben sich deiner Meinung nach durch sie?

Jedes Unternehmen benötigt in seiner Betrachtung mehr als die zeitliche Dimension und den Status Quo. In der zeitlichen Dimension stellt man zum Zeitpunkt der Überprüfung fest, ob man gestern, heute und morgen als Unternehmen weiter funktionieren wird. Dabei hält man fest an alten Strukturen, alten Mustern, alten Systemen. Die große Chance, die übersehen werden kann, ist die der neuen Märkte, der vergrößerten Märkte, der sich stets verändernden Märkte, die eine Optimierung der eigenen Produktionsketten und Leistung zulassen.

8) Welche Schritte in Richtung digitale Transformation hast du in deinem Unternehmen angestoßen?

Nicht für uns stoßen wir solche Prozesse an, wohl aber für unsere Kunden, die entweder aus Unwissenheit oder (sogar bewusst) diese Chance verschlafen (wollen), weil sie die digitale Transformation ggf. und fälschlicherweise für einen Trend halten.
Wir selbst setzen auf unterschiedliche Tools und das Abgleichen von gesammelten Daten, um die Effizienz zu erhöhen, z.B. in Media-Kampagnen. Aber kein Tool allein ersetzt derzeit den menschlichen Verstand und kein Tool ersetzt die notwendige Kreativität für emotionale, attraktive und spannende Kampagnen.

9) CEO, CDO, CIO, CTO, CMO, CFO, … – wer sollte die Digitalisierung der Unternehmen vorantreiben und warum?

Wir wissen, dass die digitale Transformation je nach Branche unterschiedlich schnell eintrifft und verschiedene Abteilungen mal mehr und mal weniger betroffen sind. Es initiiert sofort der, der als erster davon Kenntnis hat. Danach geht das Thema in eine moderierte Task Force über und bezieht alle Positionen mit ein. Andernfalls decke ich nur jeweilige Teildisziplinen ab.

10) Wandel ist stets eine Herausforderung. Wie kann es gelingen, dabei alle Mitarbeiter mitzunehmen?

Mit einer Vision zu führen, wappnet auch für das, was noch nicht definiert ist, also auch den Inhalten des Wandels. „Lehre einen Mann das Fischen …“ Die Anforderungen an die Kommunikation sind gestiegen. Aus dem Change Management kann man viel über ganzheitliche Kommunikation auch in dauerhaften und anhaltenden Veränderungsprozessen lernen.

11) Digitaler Enthusiasmus ist für dich?

Die Möglichkeiten in der digitalen Welt wirken erst einmal unbegrenzt. Und ich bin daher auch unendlich gespannt herauszufinden, ob das stimmt. Lampen steuern, Luftqualität messen, Fenster öffnen – Essen bestellen, mit Freunden reden. Alles über ein einziges Gerät und in wenigen Sekunden. Connected Devices und Big Data, die sich auf kurze Zeit noch besser organisieren und kanalisieren lassen, ist nichts, was mich kalt lassen kann. Es wird komplexer – und ich bin bereit und interessiert.

Vielen Dank, Kay!

Kay Schlemenat im Netz: LinkedIn

Vorherige “Digital-Checks”:

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