Martina Bruder ist sozusagen Verkupplerin von Berufs wegen. Nach der aktuellen Entscheidung des OLG Hamburg hat sie sicherlich jede Menge zu tun… Eigentlich ist sie damit ganz nah an meinem Job. Ich verkupple irgendwie ja auch.

Martina Bruder blickt auf eine lange Zeit in der Digitalwirtschaft zurück, nach ihrer Zeit in der Print- und TV-Industrie startete sie bei der Internet-Ikone Yahoo! Ich muss sie beim nächsten Treffen – auf dem Cribb Digital Advisory Board Summit am 16. Juni 2015 – mal fragen, ob sie noch das Yahoo-Jodeln beherrscht… Von ihrem Team wird sie sehr geschätzt, sie gilt als “smart aber einfühlsam”, “Visionärin”, “Frau, die man sich als Vorbild aussuchen kann”. Tolle Attribute.

Ich freue mich, dass Martina sich hier die Zeit genommen hat, meine Fragen mit ihrer üblichen Leidenschaft und Liebe zur Perfektion zu beantworten. Lernen Sie sie heute kennen und vielleicht persönlich am 16. Juni in Hamburg.

Einen schönen Brückentag wünsche ich Ihnen; ich genieße Vater- & Brückentag mit meiner Tochter in London.

Ihr
Harald R. Fortmann

Martina Bruder CEO FriendScout24_2_300dpi

1) Was wollten Sie als Kind werden?

Da gab es verschiedene Phasen: Zunächst natürlich Bäuerin. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und die Erdverbundenheit und Bodenständigkeit ist mir bis heute geblieben.
Dann unbedingt Stewardess. Das waren in den 70ern ja keine despektierlich benannten „Saftschubsen“, sondern kosmopolitische Stilikonen.
Dann – ich wurde älter – kam die Journalistenphase.

2) Wie würden Ihre Mitarbeiter Ihren Führungsstil beschreiben?

Tough, aber herzlich. Und absolut zuverlässig und verbindlich.

3) Und wie Sie selbst?

Ich bin da sehr ernsthaft unterwegs. Mein Führungsstil ist fest in meinen Kernwerten verankert.

Verantwortung: übernehmen und übertragen – und dann auch loslassen

Wertschätzung und Respekt: Führen auf Augenhöhe

Wachstum: fördern, fordern, ins Wachstum bringen und begleiten. Und dann wiederum loslassen können, wenn sich andere Wege erschließen, als man im eigenen Unternehmen anbieten kann.

Ist übrigens echte Arbeit. Für alle Beteiligten.

4) Stichwort War for Talents: Wie gelingt es Ihnen, die besten Mitarbeiter zu finden?

Indem wir als Arbeitgeber überzeugen.

Wir haben dabei nicht nur auf Word-of-Mouth gesetzt, sondern unsere Mitarbeiter eingeladen, ein Employer Branding zu erarbeiten – ohne Beteiligung der Geschäftsführung!
Die O-Töne zum Thema „was mich tagtäglich motiviert“: Vertrauenskultur, flache Hierarchien, Teamgeist und kollegialer Zusammenhalt, Raum zur Entfaltung und zur echten Übernahme von Verantwortung, Kultur der permanenten Verbesserung, gepaart mit der Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung.
Aber auch: Rücksicht auf die persönliche Lebenssituation und allgemein positive Rahmenbedingungen.

Daraus entstand dann der Claim „Arbeiten, leben, glücklich machen“ – ein schönes Geschenk der Mitarbeiter an ihren Arbeitgeber FriendScout24 GmbH, wie ich finde.

Friendscout

5) Und wie halten Sie sie?

Siehe oben.

Übrigens ist für mich auch das Gehenlassen Teil einer guten Unternehmenskultur. Wenn man Mitarbeiter ernsthaft weiterentwickelt, muss man auch akzeptieren, dass sie ihre Chancen nicht nur im eigenen Unternehmen finden und wahrnehmen. Paradoxerweise zahlt sich das vor und nach dem Gehen aus. Auch auf die, die bleiben.

6) Was bedeutet der digitale Wandel für Sie im Alltag und auf der Arbeit?

Für beide Bereiche gilt, dass wir nicht (nur) über einen technologischen Veränderungsprozess sprechen, sondern über einen kulturellen, existentiellen. Der noch dazu so unfassbar schnell geschieht wie die digitale Revolution. Das macht die Herausforderungen so komplex.

Dass Stillstand der Tod ist, haben alle längst begriffen. Das Dilemma bei Veränderungen aber ist, dass sie dennoch den meisten Menschen Angst machen. Und das trifft nicht nur auf tradierte Unternehmensumfelder zu, sondern auch auf uns im digital business. Also gilt es vor allem, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Veränderung und ihre Dynamik positiv begreift und positiv – wenn nicht gar lustvoll – erlebbar macht. Und in der sich jeder einzelne als change agent sieht und ausprobieren kann. Das Wichtigste aber ist es, Change als Unternehmens-DNA zu begreifen und zu leben.

Privat liegen Lust und Frust nah beieinander, da wir alle ja schon unser berufliches Leben so gut wie durchgängig online verbringen. Ich bin begeisterter App-Sammler und kann mich über faszinierende Spielereien wie den Peak Finder beim Wandern, die Star Walk-App (erkennt Sternbilder) kindisch freuen. Ganz weit vorne – die Smart BringMeBack-App, die mir als garagenloser Innenstadtbewohnerin hilft, mein Auto auch nach dem Wochenende wieder zu finden.

Und jetzt muss ich nun wirklich nicht die grundsätzliche Verbesserung der Lebensqualität durch digitale Errungenschaften beschreiben, die wir alle als absolut selbstverständlich und unverzichtbar betrachten. Dennoch halte ich es auch mit der digitalen Askese, vor allem, was die Pflege meiner sozialen Beziehungen betrifft. Da sind wir wieder bei der kulturellen Veränderung – und die braucht ja neben dem Fortschritt auch ihre Traditionen.

7) Die Risiken der Digitalisierung stehen oftmals im Vordergrund, wir möchten das Positive herausheben. Welche Chancen, denken Sie, ergeben sich durch sie?

Unfassbare. Zugang zu Bildung in allen Regionen der Welt. Im Gesundheitswesen, der Forschung. Globale Kommunikation und Kollaboration. Technologie und Produktion. Wo soll man da aufhören – und woher soll man das wissen?

Übrigens ist es gar nicht meine Wahrnehmung, dass die Risiken generell im Vordergrund stehen. Die reflektierte Auseinandersetzung mit den digital getriebenen gesellschaftspolitischen Veränderungsprozessen halte ich für unabdingbar.

8) Welche Schritte in Richtung digitale Transformation haben Sie in Ihrem Unternehmen angestoßen?

Da wir pure play sind, ist ja sozusagen schon die Luft, die wir atmen, digital.

Dennoch: Der wichtigste Schritt war kurz nach meinem Start die Umstellung von Wasserfall auf agile Arbeitsweisen. Das hat unser Unternehmen fundamental verändert – und zwar in jeder Hinsicht. Ohne diesen Schritt hätten wir längst nicht die gleiche Innovationspower und schon gar nicht die gleiche Unternehmenskultur.

Das Prinzip „build, measure, learn“ und die damit verbundene Bereitschaft, Fehler in Kauf zu nehmen, schnell aus ihnen zu lernen und die nächste Optimierung oder gar den ganz neuen Ansatz in Angriff zu nehmen, steht dafür, dass wir die Balance aus startupiger Kreativunruhe und hoher Professionalität leben. Nur so waren wir in der Lage, unsere strategische Entwicklung zum Full-Service-Provider in nur zwölf Monaten zu realisieren, unsere Monetarisierungsmodelle dabei nach Angebot und Device zu differenzieren und auf Trends, wie z.B. Gamification, schnell zu reagieren. Oder kurz: In einem hoch kompetitiven und disruptiven Markt im Tripple Play Web, mobile und social erfolgreich zu sein.

9) CEO, CDO, CIO, CTO, CMO, CFO, …– wer sollte die Digitalisierung der Unternehmen vorantreiben und warum?

Ohne den CEO geht gar nichts – und der bewirkt nichts, wenn er seine Organisation nicht richtig aufstellt und seine Führungskräfte und die Mitarbeiter nicht hinter sich bringt.
Walk the talk!

10) Wandel ist stets eine Herausforderung. Wie kann es gelingen, dabei alle Mitarbeiter mitzunehmen?

„People do not resist change – they resist being changed.“

Damit Veränderung in Unternehmen erfolgreich stattfinden kann, muss die Sinnfrage beantwortet werden, also Notwendigkeit und Nutzen – für das Unternehmen und den Mitarbeiter. Und dann muss die eigene Rolle klar sein, denn nur dann kann jeder Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und sich als aktiven Gestalter des Veränderungsprozesses begreifen. Das ist eine riesige Herausforderung an Kommunikationskultur, Unternehmenskultur und Personalarbeit, vor allem für tradierte Unternehmen.

11) Digitaler Enthusiasmus ist für Sie?

Hoppla, gibt´s das denn – und was ist dann der analoge Enthusiasmus?

Wikipedia belehrt mich gerade, dass „Enthusiasmus“ ursprünglich die Besessenheit durch einen Gott beschreibt. Also, das geht mir dann doch zu weit…

Offenheit, Neugier, Staunen, Begeisterung und Gestaltungswille – aber ohne Fortschritts-Tschakkatschakka

Vielen Dank, liebe Frau Bruder!

Martina Bruder im Netz: kressLinkedINXing

Vorherige “Digital-Checks”:

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