Er war über die Jahre in knapp 20 Aufsichts-, Bei- und Verwaltungsräten konzernintern als auch als unabhängiges Mitglied tätig, darunter aktuell der Davidson Capital, Deutschlands erstem Venture Debt Anbieter. Arnold hält einen MSc der Stanford University und promovierte in Technologiemanagement. Die TU Berlin ernannte ihn zum Honorarprofessor für Engineering of Digital Transformation.
Welchen speziellen Themen müssen sich Aufsichtsräte ab sofort verstärkt widmen?
Der aktuelle Wandel im Wettbewerbsumfeld durch Digitalisierung ist dermaßen tiefschürfend, dass die Zukunftssicherung diesmal die NACHHALTIGE und INHALTLICHE INTERVENTION von Eigentümern und Aufsichtsräten über einen ausreichend langen Zeitraum braucht. Zum einen geht es darum, substanzielle Mittel in die Zukunftssicherung zurückzuführen, wir sprechen immer von Beträgen über 100 Mio. Euro, um künftiges Milliardengeschäft aufzubauen und abzusichern. Zum anderen geht es darum, länger als eine übliche Vertragsdauer von Vorständen und Geschäftsführern die Entwicklung von Zukunftsgeschäft und die handelnden Personen zu stützen und zu schützen und mit entsprechenden Personalentscheidungen zu flankieren.
Unabhängig vom Kompetenzprofil: Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Aufsichtsratsmitglied mitbringen, um den Herausforderungen der Zeit zu begegnen?
Es wird mit Recht mehr Digitalkompetenz und Diversität gefordert. Tiefere und breitere Kompetenzen sind auf jeden Fall nötig. Um aber sicherzustellen, dass ein Gremium sich nicht zunehmend in gegenseitigem Unverständnis ergeht, was eine realistische Gefahr ist bei zunehmender Heterogenität der Hintergründe, sind BRÜCKENBAUER zwischen den Disziplinen erforderlich. Was meine ich damit: Ich glaube nicht, dass es hilft, zum Beispiel einfach nur mehr Nicht-Deutsche in Aufsichtsräte deutscher Unternehmen zu bestellen. Natürlich ist die Kenntnis aus anderen Ländern ein wichtiger Input, aber hilfreich sind andere Perspektiven nur dann, wenn es gelingt, sie auf die spezifische Situation zu übersetzen: Klar ist es interessant, wenn jemand berichtet, wie es bei Alphabet oder Alibaba läuft, aber ohne die Verständnis des betrieblichen Kontextes des eigenen Unternehmens, sind solche Beiträge tatsächlich eher irreführend als hilfreich.
Es geht auch darum, Brücken zwischen den Disziplinen zu schlagen. Kein Wunder, dass es in Deutschland so schwer fällt, Ergebnisse aus den Forschungseinrichtungen in die Praxis zu überführen, wenn es mit Skepsis betrachtet wird, dass ein Wissenschaftler auch Unternehmer oder Manager sein kann und umgekehrt. Das nämlich ist z.B. in den High Tech Clustern der USA lange gang und gäbe.
Wenn du etwas jetzt sofort ändern könntest: Was würdest du in Aufsichtsräten als Allererstes ändern?
Ich habe oft den Eindruck, dass formale Korrektheit und „Nichtangreifbarkeit“ der Aufsichtsratstätigkeit die oberste Priorität hat. Dabei sollte es in erster Linie um die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und Organisationen gehen. Nur die Eigentümer und Aufsichtsräte haben die wirkliche Chance, Flankenschutz zu geben für intensive Weichenstellungen, die sich erst in einem Jahrzehnt oder später auszahlen werden. Wenn sich der Aufsichtsrat nicht dahinter klemmt und alles dem operativen Management überlässt, bleiben diese Weichenstellungen nämlich aus. Und niemand braucht sich dann zu wundern, dass die Wachstumsdynamik auch ausbleibt. Formale Korrektheit ist eine notwendige Bedingung für die Arbeit jedes Gremiums. Aber sie ist nur Mittel zum Zweck. Und der ist Zukunftssicherung.
Was würdest du Aufsichtsrats-Neulingen mit auf den Weg geben?
Eine Verhaltensweise in Aufsichtsräten erscheint mir so populär wie nutzlos zu sein: Impulse zu geben ohne nachzuhalten. So oft erlebe ich es, dass wichtige Impulse freundlich angedeutet werden, in der Hoffnung, dass es das Management schon aufgreift. Das geht bei den aktuell anstehenden Fragen der Zukunftssicherung nicht. Ohne ein konsequentes Einfordern über den weiteren Verlauf der dazu eingeleiteten Maßnahmen und das Fördern und ggfs. Schützen der handelnden Personen insbesondere in Transformationsprozessen lässt sich keine Weichenstellung für die Zukunft erreichen.
Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Pioniere in die Aufsichtsräte. Einer davon, mit dem ich sehr gerne arbeite, ist Eran Davidson, der ab 2004 mit Hasso Plattner Ventures dazu beigetragen hat, die Renaissance von Venture Capital in Berlin und damit das „Innovationswunder“ miteinzuleiten. Mich wundert, dass die Erfahrung von Pionieren wie ihm nicht stärker genutzt wird.
Gab es in deiner bisherigen Arbeit als Aufsichtsratsmitglied ein Aha-Erlebnis?
Ich wiederhole mich: Ich hätte schon erwartet, dass die langfristige Zukunftsfähigkeit einen viel breiteren Raum in den Aufsichtsräten einnimmt. Aber das muss sich und wird sich jetzt auf breiter Linie ändern.