Wie kam es zu Cribb? Warum hast Du Dich auf den digitalen Sektor spezialisiert?

Ich bin 1994 in der Digitalbranche gestartet, damals bei einer Firma, die Unternehmensdaten auf CD-ROM im Abomodell verkauft hat. 1996 war ich dann beim Marktführer für High-End Videokonferenzsysteme tätig, als so ein System noch so viel wie ein Porsche 911 kostete. Beide Firmen waren technologisch führend, haben aber nicht auf IP Technologie gesetzt. Ich hatte bereits sehr früh das Gefühl, dass im Internetbereich die Zukunft liegt und darüber mit vielen Personalberatern gesprochen, die aber nicht so genau wussten, wovon ich sprach. Es schien klar, dass es da wohl eine Lücke gab und so habe ich mich Ende 1997 entschieden, eine Personalberatung für die Internetbranche zu starten und meine Idee Anfang 1998 in die Tat umgesetzt.

Wie kam es dass Du Dich selbst so mit dem Internet auseinander gesetzt hast?

Ich war 1991 an der Uni ins Usenet gekommen und sofort fasziniert. Es gab damals zum Beispiel auch ein weltweites E-Mail Verzeichnis, eine Art Telefonbuch für E-Mail-Adressen und da konnte man nachschauen, wen es gibt und wer eine E-Mail Adresse hat. Ich hatte eine Universität in Sydney gefunden, dort hatte die Assistentin des Dekans eine E-Mail-Adresse und so habe ich ihr eine E-Mail geschrieben, in der ich nur mal hallo sagen wollte. Ich fand es cool, dass das so einfach ging und im Gegensatz zum Fax auch kostenlos war. Ein Fax nach Australien zu schicken hätte mich wahrscheinlich 10 Mark gekostet. Das war meine erste E-Mail überhaut, an eine wildfremde Frau in Australien, die auch nie geantwortet hat.

Als ich 1994 anfing zu arbeiten, war das WWW gerade gestartet und AOL auch noch in den Kinderschuhen, die AOL Werbung mit Boris Becker für Internetzugang („Bin ich schon drin?“), war erst fünf Jahre später Und so habe ich irgendwie alles mehr oder weniger vom Anfang miterlebt.

Wenn Du zurückblickst auf die größte Herausforderung der letzten 20 Jahre, was war das für Dich?

Als ich 1998 startete, fing auch der dotcom-Boom gerade an. Bis zum Jahr 2000 gingen die Bewertungen der Internetfirmen steil nach oben und auf einmal waren Unternehmen Milliarden wert, die aber weder ein Produkt noch Umsatz hatten. Im März 2000 ist der neue Markt zusammengebrochen und es gab dramatische Kurskorrekturen. Leute, die am Tag vorher noch Multimillionäre waren, waren am Tag drauf nichts mehr wert. Das war natürlich für unser Geschäft schwierig. Aber viele der Internetfirmen hatten noch wahnsinnig viel Geld aus dem IPO und haben es auch weiter ausgegeben. Das Geschäft wurde also langsamer, aber wir haben Ende 2000 entschieden antizyklisch zu wachsen. weil wir an das Internet glaubten. Das klingt heute total normal, damals waren wir aber die Minderheit. Und so sind wir als Firma weiter gewachsen und haben mehr Leute eingestellt.

Dann kam der Sommer 2001, wir waren 15 Leute, also ungefähr die gleiche Größe wie heute und im September flogen dann die Flugzeuge in die Twin Towers. Die ganze Welt war geschockt. Wir auch. Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war, dass unser Geschäft über Nacht komplett zusammenbrechen würde. Das war zum großen Teil USA getrieben und die Amerikaner haben sich wirklich komplett von Europa, von der Welt abgewandt, die waren wie in Schockstarre. Sie haben alle ihre Aktivitäten in Europa auf Eis gelegt, es kamen keine Manager aus den USA mehr, monatelang ist keiner auf Geschäftsreise gegangen, die wollten alle nicht fliegen und schon gar nicht international. Wir haben einen Umsatzrückgang von über 80% gehabt und viel zu lange gewartet, darauf zu reagieren. Ich habe den Effekt total unterschätzt und als wir Ende Juni nochmal genau auf die Zahlen schauten war klar, wenn wir nicht jetzt, also genau jetzt, die Notbremse ziehen, ist die Firma am Ende. Das hätten wir keinen weiteren Monat mehr ausgehalten. Am nächsten Tag allen Mitarbeitern kündigen müssen und wenig später waren nur noch Maren und ich da und wir saßen hier zu zweit und fragten uns, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.

Wie hat sich cribb dann wieder erholt?

Wir haben alles Mögliche ausprobiert. Damals boomte der Windenergiemarkt, es wurden viele Ingenieure gesucht. Wir haben uns das angeschaut, haben auch ein, zwei Mandate bekommen, aber da kannten wir uns nicht gut aus und fühlten uns nicht wohl. Wir haben noch andere Sachen angeschaut, das war aber alles nicht unsers. Wir haben auch alle Möglichen Honorarmodelle ausprobiert, aber das war alles nicht nachhaltig. Nach sechs Monaten haben wir uns beschlossen, nur in der Internetbranche und zu unseren regulären Konditionen zu arbeiten. Es gab viel Druck von Kunden zu anderen Konditionen zu arbeiten, denn alle Personalberatungen waren in der gleichen Situation und lieferten sich einen Kampf um die Kunden.

Wir waren uns sicher, dass Kunden langfristig sich nicht daran erinnern würden, was sie uns zahlen aber sehr wohl, was wir liefern. Wir haben daher alles abgelehnt, was nicht nachhaltige erfolgreiche Arbeit zuließ. Wir hatten zwei, drei Jahre lang sehr wenig Geschäft, aber die Projekte, die wir bekommen haben, haben wir sehr gut gemacht und den Rest der Zeit haben wir investiert in den Aufbau von Netzwerken. Als der Markt 2005 wieder richtig los ging und die Firmen dringen Leute brauchten, waren die anderen Personalberatungen alle vom Markt verschwunden. Davon haben wir sehr profitiert und Cribb sehr schnell wieder aufbauen können.

Was war der schönste Moment bei cribb?

Das war unser 10-jähriges Jubiläum. Nach den wirklich harten Jahren hatten wir beschlossen, 10 Jahre auch wirklich zu feiern. In eiener Top Location mit 300 ausgewählten Gästen, Und dann startete die Finanzkrise. 2007 ging es los. Und ich weiß noch, dass ich im Dezember 2007 entscheiden musste, gebe ich jetzt diese irrsinnig teure 10-Jahr-Feier in Auftrag oder nicht? Die Finanzkrise war in vollem Gange und mir war sehr klar, was da passiert. Was sollten wir tun? Feiern oder das Geld für die nächste Krise sparen, denn wir wissen ja, wie hart uns Krisen treffen können. Wir wollen feiern, wir gaben das Geld aus. Dann habe ich den Vertrag unterschrieben, die Locations gebucht und die Eventagentur bezahlt usw. und ich kam mir so ein bisschen vor, wie der Kapitän der Titanic, der ruft Champagner für alle, während das Schiff untergeht.

Aber unsere 10-Jahr-Feier war für uns als Unternehmen ein Wendepunkt, zum ersten Mal kam unser ganzes Netzwerk zusammen und alle haben gesehen, wer sonst noch alles dazu gehört. Wir kannten alles und jeden und die Leute sind aus der ganzen Republik und teilweise international angereist, um mitzufeiern. Das war für viele ein turning point in der Wahrnehmung von cribb. Und das war fürs ganze Team ein sehr stolzer Moment, ein wirkliches Highlight.

Hat sich die digitale Branche so entwickelt, wie Du es Dir vorgestellt hast, als Du begonnen hast oder wo sind Abweichungen von den Vorstellungen zu sehen?

Ich glaube, im Wesentlichen hat sich das so entwickelt wie gedacht. Mir war irgendwie immer klar, dass sich das Thema durchsetzt. Und viele gehypte Themen der Dotcom-Blase sind die Themen, die heute funktionieren. Die haben damals nicht funktioniert, weil nicht genug Leute im Internet waren, die Technologie, Bandbreite und Bezahlsysteme nicht da waren. Das Grundprinzip, was eigentlich alles geht und was passiert, hat sich aber schon so entwickelt, wie wir es uns damals vorgestellt haben.

Wie sieht denn Deiner Meinung nach der nächste große Trend im Digitalgeschäft aus?

Ich glaube tatsächlich, dass die Themen Automatisierung, Blockchain, künstliche Intelligenz da eine große Rolle spielen. Ich denke, dass die Automatisierung von Einkäufen kommen wird. Teilweise durch intelligente Algorithmen, teilweise durch echte Vernetzung und Smart Contracts. Das gibt es alles bereits teilweise, aber es ist noch nicht in der breiten Masse angekommen. Wir haben selber noch gar nicht entschieden, was möchten wir, trauen wir dem, wollen wir das, was passt. Aber ich glaube, es wird relativ bald eine Killer-Applikation geben, die den Weg dafür in der breiten Masse ebnet und an den wir uns gewöhnen werden. Smarte Systeme, smarte Versandlösungen. Ich glaube auch, dass der Aufbau von längerfristigen, nachhaltigen Kundenbeziehungen im Onlinehandel, die wir ja früher offline auch hatten, wieder in den Vordergrund rücken wird. Die Konsumenten wollen das auch und wenn smarte Konzepte für die Bestell- und Lieferabwicklung angeboten werden, dann wird es für die breite Masse funktionieren. Das ist für mich einer der Trends. Vielleicht erhoffe ich ihn mir auch nur herbei, aber ich glaube, er wird kommen. Was auch immer passiert, es wird nicht langweilig werden.