“Was haben Sie vom Pfingstwochenende gepostet: Ihren Trip nach Mallorca oder den ersten Spargel auf dem Teller? Was wird Ihr Chef dazu denken, was lesen Recruiter daraus – oder Ihre Mitarbeiter? Wir alle hinterlassen durch unsere Aktivitäten im Netz ein persönliches Diagramm über unsere Präferenzen, über unsere Lebenssituation, unsere Wünsche und Suchen. Und damit teilweise über unsere Jobpräferenzen und unser Potenzial für Unternehmen. Schon heute gibt es Unternehmen, die zunehmend diese Informationen für ihre HR-Strategie nutzen, wenn es um den Recruiting Prozess, die Auswahl von Nachwuchs-Talenten oder auch Führungskräften geht. Sie glauben das nicht? Sie denken, dass es theoretisch möglich ist, aber in der Praxis spielt es für Ihr Geschäftsumfeld noch keine Rolle?
Die größten Zweifler der sogenannten „People Analytics“ kommen aus Deutschland und Frankreich
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn laut einer internationalen HR-Trend-Studie von Deloitte kommen weltweit die größten Zweifler der sogenannten „People Analytics“ aus Deutschland und Frankreich. Unsere Nachbarn und wir haben extreme Vorbehalte, dass die im Big Data-Kontext für HR-Strategien genutzten Daten einen wirtschaftlichen Mehrwert bringen und zukünftig für unser Management und Recruiting relevant sind. Auch das wiederum verwundert mich nicht, wenn ich mir die Historie der betrieblichen Mitbestimmung und das Bewahren der Individualität vor Augen halte. Diese gesunde Skepsis gegenüber der Nutzung von Daten finde ich bis zu einem gewissen Grad äußerst gesund. So bilden diese Daten und daraus abgeleitete Algorithmen doch immer nur den Blick in die Vergangenheit ab, in das bisher schon Dagewesene und selbst davon nur den Ausschnitt, den man digital teilt.
Dennoch sollten wir uns rechtzeitig im Rahmen der Digitalisierung unserer Geschäftsmodelle und -prozesse mit der personen-bezogenen Datenanalyse auseinandersetzen. Wenn wir es nicht tun, nutzen andere die Daten und das dann ggfs. nicht zu unserem Vorteil bzw. im Sinne unseres gesellschaftlichen Verständnisses. Microsoft hat im vergangenen Jahr Volometrix gekauft, den People-Analytics-Software-Anbieter, der Unternehmen wie Facebook und L’Oréal zu seinen Kunden zählt.
Vielleicht hätte ich Fakten in der Hand für einen Kulturwandel im Unternehmen
Wie möchten Sie in Zukunft bei der Auswahl z.B. Ihrer Sales Mitarbeiter sicherstellen, dass Sie die High-Performer ansprechen? Kann eine dem persönlichen Gespräch vorgeschaltete unabhängige Analyse auf Basis der Daten, die der Bewerber uns zur Verfügung stellt, nicht vielleicht hilfreich sein? Kann es mir nicht helfen, zu erklären, warum sich immer wieder dieselben Typen bei uns bewerben, die wir gar nicht wollen und wie sehen eigentlich die „Diagramme“ derjenigen aus, die wir gern hätten? Vielleicht würde das bedeuten, dass wir dafür unsere ganze Unternehmenskultur auf den Kopf stellen müssten, aber ich hätte dann auch endlich Fakten in der Hand, die belegen, dass wir an der Unternehmenskultur schrauben müssen….
Für mich steht fest, dass die Nutzung von „People Analytics“ die Auswahl, das Halten und die Weiterentwicklung von Mitarbeitern nicht vereinfacht, aber bereichert. Es kommt ein Baustein hinzu, der die Arbeit komplexer macht, den Prozess ggfs. beschleunigt, aber genauso ein waches, verantwortungsvolles Handeln erfordert.”
Nicole Mai ist Co-Gründerin von SAAL ZWEI und Senior Beraterin bei der auf Digitalexperten spezialisierten Personalberatung Cribb. An dieser Stelle schreiben abwechselnd die Gründerinnen und Redaktionsmitglieder von SAAL ZWEI über skurrile Job-Themen, faszinierende Business-Trends und unglaubliche Alltags-Begegnungen.
Der Beitrag erschien zuerst am 18. Mai 2016 bei SAAL ZWEI.