Welchen speziellen Themen sollte sich ein Beirat, den ein Unternehmen aus eigenem Antrieb einrichtet, ab sofort verstärkt widmen?

Jedes Unternehmen hat natürlich individuell spezifische Themen. Übergreifend würde ich aber die folgenden Agendapunkte setzen: Core Values, Vielfalt im Unternehmen und gesellschaftliche Verantwortung.

Unternehmenswerte (Core Values), die das Management vorlebt und im Unternehmen täglich sichtbar gemacht werden, sind massiv wichtig geworden, um Mitarbeiter zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden. Aus jüngster eigener Erfahrung kann ich sagen, dass starke Core Values eine der Säulen sind, um tiefgreifende Krisen, wie die andauernde Pandemie, erfolgreich zu navigieren und gestärkt hieraus hervorzugehen. Die Realität sieht allerdings oft anders aus: viele Unternehmen haben Werte definiert, tun sich aber schwer mit der Umsetzung oder hoffen, dass es die Personalabteilung schon richtet.

Warum Vielfalt in der Mitarbeiterschaft, und das explizit über den Anteil Frauen im Management hinaus gedacht, wichtig für den Unternehmenserfolg ist, ist den meisten Unternehmen klar – aber auch hier hinkt die Umsetzung noch ziemlich hinterher, u.a. auch was die Besetzung von Gremien, als einen der ersten Schritte, angeht.

Über Mitarbeiter und Shareholder hinaus, haben Unternehmen mehr denn je auch eine gesellschaftliche Verantwortung und müssen ihren Teil dazu beitragen, Toleranz und gesellschaftliche Kohäsion zu fördern und unsere Zukunft vor allem durch ökologische Nachhaltigkeit aktiv zu gestalten.

Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Beiratsmitglied mitbringen, um einen möglichst großen Impact auf das Unternehmen zu haben?

Am besten eine Kombination aus Verständnis für das Geschäft, Coaching-Fähigkeiten und Identifikation mit der Kultur des Unternehmens.

Als Beirat setzt man sich in der Regel nur eine beschränkte Anzahl von Tagen im Jahr mit dem Unternehmen auseinander. Ein sehr gutes Verständnis für das Geschäftsmodell, besser noch operative Erfahrung, ist ein klarer Vorteil, um schnell auf Flughöhe zu kommen und von Tag eins an einen wertvollen Beitrag zu liefern. Mit konkreter Erfahrung kann der Beirat besser helfen, Optionen schnell zu bewerten, Fallstricke zu vermeiden oder weitere Ideen einzubringen.

Als guter Coach kennt ein Beiratsmitglied nicht zwangsläufig die Antwort. Viel wichtiger ist es, die richtigen Fragen zu stellen – die, die das Unternehmen dazu bringt, seine eigenen Annahmen zu hinterfragen und andere Sichtweisen auf eine Problem in Betracht zu ziehen. Beispiel: Business Development-Initiativen. Hier ist eine meiner Lieblingsfragen (auch an mich selbst): “How does this ladder up to the overall strategy of your company?” Also: Ist diese Initiative ein wesentlicher Baustein in Ihrer Strategie, und lässt sich eine klare Verbindung zwischen ihr und der strategischen Zielsetzung herstellen.

Als guter Coach zeichnet sich der Beirat durch souveränes Herausfordern des Executive Teams aus, der respektvoll kritisches Feedback geben kann und sich nicht scheut, den Finger in die Wunde – z.B. schlechte Performance oder Finanzrisiken – zu legen.

Kultureller Fit ist heute im Recruiting für Mitarbeiter selbstverständlich, sollte aber genauso als Kriterium bei der Auswahl des Beirats gelten. Echtes Interesse für die Unternehmenswerte und ein gutes Verständnis dafür, “wie das Unternehmen und seine Mitarbeiter ticken”, welche Passion und welcher Auftrag sie verbindet, hilft mir als Beiratsmitglied, Feedback und Kritik in Kontext zu setzen und für das Unternehmen annehmbar und relevant zu gestalten.

Wenn Du Unternehmen, die keinen Aufsichtsrat haben müssen, etwas zu freiweillig eingerichteten Beiräten raten könntest: Was wäre das?

Mein erster Rat lautet: Richten Sie sich einen ein, sofern sie noch keinen haben – it’s a no regret move.

Die Führung eines Unternehmens wird immer komplexer. Der Beirat ist ein sehr gutes Instrument, sich kompetentes Coaching und relevantes Wissen, hilfreiche Kontakte und Zugang zu weiteren Netzwerken sichern.

Investieren Sie mit ihren Management-Kollegen Zeit in die Definition der Eckdaten eines Beirats speziell für Ihr Unternehmen. Beispiele: In welchen Bereichen benötigen wir Rat und Hilfe? Was genau sollen die Beiratsmitglieder für Sie leisten? In welcher Form, wie häufig und zu welchen Zeitpunkten soll der Beirat für aktiv sein? Welches Budget wollen Sie investieren?

Investieren Sie ähnlich viel Zeit in das Recruiting Ihrer Beiratsmitglieder wie in das Ihres Managements und achten Sie, wie oben beschrieben auf Geschäftsverständnis, Coaching-Fähigkeiten, Interesse am Produkt und Identifikation mit Ihrer Unternehmenskultur. Ihr Ziel sollte es sein, eine langfristige Beziehung mit ihrem Beirat aufzubauen.

Setzen Sie einen klaren Anspruch an Vielfalt in Ihrem Beirat – nicht nur, was die Expertise angeht, sondern weiter gedacht: Geschlecht, Alter, Nationalität, sexuelle Orientierung. Denken Sie daran, dass eine diverse Besetzung Ihres Beirats nicht nur die Qualität und Bandbreite der Einblicke für Sie als Unternehmenslenker verbessert, sondern auch eine Signalwirkung hat – und eine starke Botschaft an Ihre heutigen und zukünftigen Mitarbeiter und im weiteren Sinne alle Ihre Stakeholder sendet.

Was hast Du Dir vorgenommen für diese Tätigkeit und worauf möchtest Du nach 12 und nach 24 Monaten stolz sein?

Die Realität ist, dass man als freiwilliges Beiratsmitglied selbst nicht operativ aktiv wird, kein Projekt leitet, und nicht nach OKRs arbeitet (auch wenn ich oftmals direkt gerne loslegen würde) oder Entscheidungsbefugnis hat. Von daher ist es schwierig, positive Entwicklungen des Unternehmens direkt auf die eigene Person zurückzuführen.

Als Berater und Coach ist mir es wichtig, dass ich positives Feedback zu meiner Arbeit als Beiratsmitglied erhalte und jede Beiratssitzung und jedes Gespräch mit Unternehmensvertretern mit konkreten Hinweisen abschließe, dass mein Beitrag als wertvoll empfunden und idealerweise umgesetzt wird. Und dass ich nach 24 Monaten immer noch Teil des Beirats bin (lacht).

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